Hinter Mauern: Die Tage sind gezählt
Haus an der Liebfrauenstraße 35: Mieter müssen bis Ende August ausgezogen sein
Alle reden über die Kündigung für den „Kult-Kiosk“, dabei haben die Neubaupläne am Freigrafendamm (VorOrt März 2017) noch ganz andere Auswirkungen: Auch das allein stehende Haus dahinter wird abgerissen. Zum 31. August müssen die Mieter ausgezogen sein.
Wer sich das kleine Haus an der Liebfrauenstraße 35 zum ersten Mal ansieht, muss unweigerlich an eine Art Enklave denken. Umgeben von einer rund zwei Meter hohen und ziemlich wuchtigen Mauer wirkt es fast so, als wenn es seinen Platz vor den eng stehenden Mehrfamilienhäusern in der Nachbarschaft mit aller Macht verteidigen will.
2900 Quadratmeter
Bislang hat das auch geklappt. Doch jetzt werden die Mauern fallen.
Rund 2900 Quadratmeter groß ist das Grundstück, das nun überplant und bebaut wird. Für die Mieter heißt das: Abschied nehmen.
Die Kündigung kam Anfang Dezember vergangenen Jahres, die Zeit des Packens rückt unaufhaltsam näher. Vor rund 20 Jahren ist Matthias Kewitz hier mit seiner Familie eingezogen. Der Ort war ein kleines Paradies. „Meine Jungs haben im Garten Fußball gespielt“, sagt er. Groß genug war er ja auf jeden Fall. Und perfekt abgeschirmt ebenfalls. Selbst der Autolärm vom Freigrafendamm ist hinter den Mauern praktisch nicht zu hören.
Seine Mutter lebt sogar schon fast 40 Jahre hier. Als sie eingezogen ist, wohnte im Haus noch eine alte Dame, deren Familie einst große Teile von Altenbochum besessen hat und der mit dem Püttmannsweg sogar eine eigene Straße gewidmet worden ist.
Die Familie Püttmann gehört zu den wohl ältesten Bauernfamilien Altenbochums. Der ehemalige Püttmannshof lag laut „Bochumer Straßennamen – Herkunft und Deutung“ (Originalquelle: Bündemann, W: Altenbochum – gestern, heute, 1978) zwischen Freigrafendamm, Liebfrauenstraße und Altenbochumer Straße. Gleich gegenüber war das Friemanngut, an den heute noch der Friemannplatz erinnert.
Püttmannshof
Der Püttmannshof wurde 1547 erstmals unter diesem Namen in einer Schätzungsliste erwähnt. In den 1920er-Jahren wurde ein Großteil der Ländereien an die Stadt verkauft, die darauf unter anderem den Hauptfriedhof errichtete. Einflussreich waren die Besitzer des Püttmannshofes bis zuletzt. Die letzten beiden Eigentümer waren Gemeindevorsteher. Neben dem Püttmannsweg, der 1930 so benannt wurde, gibt es auch noch die Püttmannsheide, die seit 1926 so genannt wird.
Das Haus an der Liebfrauenstraße 35 ist allerdings noch nicht besonders alt. Es soll aus den 1950er-Jahren stammen und sieht inzwischen auch ein bisschen so aus, als müsste es dringend renoviert werden.
Mieter Matthias Kewitz scheint wohl auch deshalb nicht mehr besonders an dem Haus zu hängen. „Ich sehe dem Auszug ganz gelassen entgegen“, sagt er. „Aber meiner Mutter tut das schon weh.“ Sie sei inzwischen 87 und möchte natürlich nicht mehr umziehen. Außerdem falle durch den erzwungenen Auszug in Zukunft wahrscheinlich auch die enge, räumliche Anbindung an die Familie weg. Möglich, dass die pflegebedürftige alte Dame ihren Lebensabend nun sogar in einem Heim verbringen müsse.
Schonfrist für „Kult-Kiosk”
Vor ihm hat übrigens auch schon sein Bruder in dem Haus hinter den Mauern gewohnt. Er hat früher auch den angrenzenden Kiosk betrieben, der heute unter dem Namen „Kult-Kiosk“ bekannt ist.
Die Zukunft des „Kult-Kiosk“ ist zurzeit völlig offen. Der Weiterbetrieb wird praktisch nur noch geduldet. Die Kündigung war schon zum 31. März ausgesprochen worden. „Wir gucken jeden Morgen, ob über Nacht die Schlösser ausgetauscht worden sind“, scherzt eine der Angestellten. Dazu wird es aber wohl nicht kommen. Im Gegenteil. Im Moment laufen hinter den Kulissen Gespräche darüber, wie es weitergehen kann. Zurzeit sieht alles danach aus, dass der Kiosk eine Schonfrist erhält und noch mindestens bis in den Herbst geöffnet bleiben kann. Was danach kommt, ist allerdings ungewiss.
Alternative „wackelt“
„Wir sind verzweifelt auf der Suche nach einem neuen Standort“, sagt Inhaberin Regina Boretzki. Von Seiten der VBW liege zwar ein Angebot für eine rund 30 Quadratmeter große Verkaufsfläche ganz in der Nähe vor. Voraussetzung für die Vermietung sei allerdings, dass auch für die Restfläche ein Mieter gefunden werde. Danach sehe es zurzeit aber nicht aus.
„Der Ort wäre für uns optimal“, so Boretzki. „Deshalb hoffen wir weiter, dass es noch klappt.“