Kabarettistin liest gegen Rechtsruck
Esther Münch und das Buch „Warum ich Nazi wurde“
Esther Münch ist in Bochum und weit darüber hinaus mit ihrer Comedy-Figur Waltraud (Walli) Ehlert sehr bekannt. Ihr alter Ego ist eine freche Putzfrau, die das Herz auf dem rechten Fleck trägt und immer einen Spruch parat hat. Seit Jahren tourt die Lindenerin mit Programmen als Reinigungsfachkraft, die stets im Ruhrgebietsdeutsch spricht und die Leute zum Lachen „aber auch nach dem Auftritt zum Nachdenken bringt“, wie Münch betont.
Im Gespräch zeigt sich schnell, dass die private Münch (meistens) ganz anders als ihre Kunstfigur ist. Denn die studierte Germanistin und Historikerin
(Lehramt) ist ein politischer Mensch. Deshalb tritt sie auch neuerdings mit dem Leseprojekt „Warum ich Nazi wurde“ auf, denn sie macht sich Sorgen. „Ich möchte mit den Menschen ins Gespräch kommen, weil es in ganz Europa einen Rechtsruck gibt“, sagt die Kabarettistin.
Worum geht es in dem Buch, dass der Berliner Verleger Wieland Giebel 2018 herausbrachte? „Es stammt aus den 1934er Jahren“, erzählt Münch „und beinhaltet 600 so genannte Biogramme, in denen Frauen und Männer erzählen, warum sie damals in die NSDAP eingetreten sind“. Es sei frappierend, „welche Parallelen zur heutigen Zeit da sind“, sei ihr beim Lesen aufgefallen.
1934 war die Nazi-Diktatur am Anfang. „Die Menschen hatten kein Vertrauen mehr in die Volksparteien, ähnlich wie es heute vielen Menschen geht“, erklärt Münch. Viele Männer hätten als Grund, in die NSDAP einzutreten, angegeben „dass sie sich beispielsweise ausgegrenzt fühlten. Es ging aber auch um verletzten Stolz, etwa von Veteranen des ersten Weltkrieges. „Manche Männer, die NSDAP-Ortsvereine gründeten, glaubten sogar, sie seien dadurch aufrechte, standhafte Demokraten.“ Bei den Frauen sei es „eher eine Faszination für Adolf Hitler und dessen Reden gewesen“, sagt Münch. Viele seien „auch sehr schnell judenfeindlich geworden und haben sich als Spione missbrauchen lassen“.
Acht Biogramme liest die Kabarettistin bis zur Pause vor, um im Anchluss mit dem Publikum ein Ratespiel der besonderen Art zu machen: „Ich lese politische Aussagen vor und frage das Publikum, ob sie von Hitler oder Höcke (Anm. d. Red.: AfD-Politiker Björn Höcke) stammen.“ Dabei stelle sich heraus, dass diese Aussagen oft nur schwer zu unterscheiden seien...
Ihr Programm „Warum ich Nazi wurde“ bietet Münch auch für Schulen oder andere Bildungseinrichtungen an. Der Eintritt von fünf Euro gehe an karitative Zwecke. Sie selbst engagiert sich seit Jahren selbst ehrenamtlich, zum Beispiel mit Deutsch-
unterricht in der Flüchtlingshilfe.
Der nächste Lese-Termin von Münch findet am 13. Februar in der Melanchthonkirche, Königsallee 46, statt. Beginn19 Uhr.