Zeitgeschenke von Studenten
Partnerschaft zwischen der Hochschule Bochum und dem St. Johannes-Stift in Wiemelhausen
Für die meisten ist es eine ganz neue Erfahrung: Seit knapp drei Jahren engagieren sich BWL-Studenten der Hochschule Bochum zwei Semester lang im St. Johannes-Stift. Das Vorzeige-Projekt, das Teil des Studiums ist, nennt sich „Zeitgeschenke für ältere Menschen“. „In der Betriebswirtschaftslehre geht es eigentlich immer nur um Zahlen, um Gewinnmaximierung und um Controlling“, sagt Christopher Schöffl, der vor rund einem Jahr im Alten- und Pflegeheim an der Borgholzstraße war. „Der Faktor Mensch wird dabei oft ausgeblendet.“ Genau hier setze das Projekt an.
Es ist ein Geben und Nehmen, das den sozialen Einsatz so interessant macht. Nicht nur für die Senioren, sondern auch für die Studenten. „Wir hetzen ständig von einer Aufgabe zur nächsten“, so Schöffl. „Neben Job und Uni haben wir auch in der Freizeit volle Terminkalender.“ Die Arbeit mit Senioren sie deshalb auch eine Art „Entschleunigung.“ Man lerne, Geduld zu haben und nicht ständig auf die Uhr zu sehen. Außerdem gehe es auch um Nächstenliebe. „Etwas zu geben, ohne eine Gegenleistung zu erwarten.“ Vier Stunden pro Woche sollen die Studenten im St. Johannes-Stift verbringen, insgesamt 120 in zwei Semestern.
Die Zeit können sie sich jedoch individuell einteilen. Mal mehr, mal weniger, je nachdem, wann gerade Klausuren anstehen. Natürlich immer in Absprache mit dem Sozialen Dienst. Einer, der das Projekt im Haus mit koordiniert, ist Ergotherapeut Sven Stumpf. Und er ist stolz auf seine Studenten. „Ich habe noch keinen erlebt, der hier einfach nur seine Stunden abreißt“, sagt er. Das wissen auch die Bewohner zu schätzen. „Sie haben in ihrem Leben eine Menge geleistet“, so Stumpf. „Jetzt sind wir an der Reihe, ihnen etwas zurückzugeben.“
Dabei gehe es nicht nur um Zeit, sondern auch um die Vermittlung von Lebensfreude. Wer in ein Seniorenheim komme, falle oft erst einmal in ein Loch. Die eigene Wohnung ist weg, der Partner vielleicht verstorben, die Freunde werden immer weniger. „Aus dieser Stimmung möchten wir die Bewohner wieder herausholen“, so Stumpf. Acht BWL-Studenten gehen an der Borgholzstraße zurzeit ein und aus. Eike Grünke ist einer von ihnen. Der 25-Jährige hat sich das Projekt ganz gezielt
ausgesucht. Er hat bereits eine Ausbildung zum Industriekaufmann absolviert. „Als Student wollte ich mich deshalb unbedingt in einem sozialen Projekt
engagieren“, sagt er. Obwohl es natürlich auch Alternativen gegeben hätte, Marketing zum Beispiel. Das Zusammentreffen mit älteren Menschen hat ihn aber auch fasziniert, weil seine Großeltern in einem anderen Land leben.
Deshalb konzentriert er sich bewusst auf Einzelgespräche. „Ich gehe in die Zimmer, höre zu, spiele Karten oder Mensch-Ärgere- Dich-Nicht.“ Und auch bei Spaziergängen sei er gerne dabei. Diese Art von Oma- oder Opa-Enkel-Beziehung ist das, was sich auch die Mitarbeiter beim Sozialen Dienst wünschen. Frei von Befürchtungen waren die Studenten trotzdem nicht. Was, wenn die Senioren ängstlich und zurückhaltend sind? Was, wenn die Lebensumstände einfach zu traurig sind? Doch all diese Gedanken waren schnell verflogen. Außerdem wurde niemand allein gelassen. Es gibt begleitende Seminare und feste Ansprechpartner im Haus, an die man sich wenden kann. „Ich habe viel gelernt“, sagt Ex-Projektteilnehmer Christopher Schöffl. Über das Leben von früher und vor allem auch über gegenseitige Wertschätzung. „Manchmal sind es nur simple Dinge, die eine große Dankbarkeit auslösen.“