Die Kirche Vierzehnheiligen ist Geschichte - Abriss dauerte vier Wochen
Schließt einst die kurze Lebensbahn,
Und tritt der Tod an uns heran,
Dann, Vierzehn Heil’ge, steht uns bei,
Dass Gott am End‘ uns gnädig sei
(Strophe aus dem Vierzehnheiligenlied)
Die Empörung mischt sich mit Wut und Verzweiflung, am Ende war nur noch Trauer. Mit jedem Hammerschlag der Abrissbagger fiel ein Stück Kirchen-Geschichte zusammen, auch wenn die Steine längst entweiht, der formal-juristische Alltag längst eingekehrt ist. Einmal gab es noch große Aufregung unter den Anwohner, als das Kirchenschiff noch stand, der Abriss begann und das Gerücht durch Bärendorf lief, dass über dem ehemaligen Altar noch das Kreuz hing. „Ja“, gibt Pfarrer Norbert Humberg von der Franziskus-Gemeinde, und damit ehemaliger Eigentümer von Vierzehnheiligen zu, „das Kreuz hing noch.“ Was rein pragmatische Gründe gehabt habe. „Das Kreuz ist ja groß und schwer, das ließ sich nur mit schwerem Arbeitsgerät in Container hieven.“ Außerdem werde das Kreuz nicht entsorgt, sondern nach Jordanien verschifft, wo es einer christlichen Gemeinde übergeben wird.
Doch das Abnehmen verlief nicht reibungslos, das Kreuz wurde beschädigt, lag zwischendurch inmitten des Bauschutts, was die Emotionen wieder brodeln ließ. „Als wenn wir ein Kreuz nicht zu würdigen wüssten“, meint Pfarrer Humberg, während der Sprecher des Bistums Essen, Ulrich Lota, in einer Tageszeitung zitiert wird: „(....)ist die Kirche aber erst einmal verkauft, hat auch die Pfarrei keine Handhabe mehr über den Verbleib der Dinge, die nicht explizit abgeklärt wurden.“ Was bei Kreuz und Glocken eben nicht zutrifft. Beide Insignien sind inzwischen auf dem Seeweg Richtung Vorderasien.
Tagtäglich stehen Menschen am Bauzaun, der das Gelände hermetisch abriegelt. Anfangs ragten die riesigen Container für den Schutt quer zur Straße, als wollten sie den Blick versperren, auf das, was der Bagger mit dem ehemaligen Kirchenschiff anrichtet. Stein für Stein knabberte sich die Schaufel die Mauern entlang, während Pfarrhaus und Gemeindegebäude Stück für Stück zusammenfielen. „Es ist eine Schande“, ist das häufigste Zitat der jungen und älteren Menschen, die fassungslos mit ansehen mussten, wie ein ehemaliges Gotteshaus in Schutt und Asche zerfällt. Bilder mit Kreuzen hängen am Bauzaun, manchmal werden frische Blumen gebracht. Der Schmerz ist groß, dabei ist das Unvermeidliche nicht mehr zu stoppen. Nach knapp vier Wochen haben die Bagger ihre Arbeit getan. Zwischen den Bäumen, die erst demnächst gefällt werden, ist jetzt nur noch Leere. Wie sicherlich auch in den Gedanken vieler Gemeindemitglieder, für die es nur ein schwacher Trost ist, dass es an gleicher Stelle demnächst einen kleinen Versammlungsraum für sie geben soll. Eingebettet in einen Neubau, der viel Wohnraum hat, aber auch sozialen Zwecken zugeführt werden soll. Schließlich wird auch das Franz-Sales-Haus einen Teil des Gebäudes nutzen.
Allerdings: Ob die Gebäude so erstellt werden können, wie es im vor wenigen Tagen eingereichten Bauantrag steht, vielleicht werden das die Gerichte klären müssen. Denn ein älterer Bebauungsplan für das Gebiet sieht auf der Seite am Graffring einen wesentlich größeren Abstand vor, als im aktuellen Bauantrag vorgegeben. In etwa vier bis sechs Wochen wird über den Bauantrag entschieden, dann behält sich die Bürgerinitiative vom Graffring vor, dagegen Klage einzureichen. Was den Bau sicherlich verzögern wird – aber kann er ihn auch aufhalten?
In ein paar Jahren wird die Lücke zwischen Erlenstraße und Graffring wieder geschlossen, werden die schmerzvollen Wunden der Gemeindemitglieder der ehemaligen Kirche Vierzehnheiligen vernarbt sein. Aber selbst Menschen, die nicht mit der Kirche unmittelbar verbandelt sind, haben gemerkt, dass sich einiges verändert hat. Eine Anwohnerin, die dort seit 13 Jahren wohnt, vermisst nicht das Läuten der Glocken, „aber die Rufe der Käuzchen fehlen mir schon.“