Feilen am Nervensystem

Überall ausgebaute Register, Pfeifen, Bleirohre und Membranen, die noch aus dem vorletzten Jahrhundert stammen: In der Lukaskirche haben im Januar die abschließenden Restaurierungsarbeiten an der historischen Sauer-Orgel begonnen. Wer geglaubt hätte, dass nach den beiden bereits erfolgten Abschnitten jetzt nur noch kleine Restarbeiten übrig sind, wird schnell eines Besseren belehrt.
„Bisher haben wir uns im übertragenen Sinne um den Kopf und den Rumpf der Orgel gekümmert“, sagt der Restaurator Konrad Scheffler. „Jetzt ist das komplette Nervensystem an der Reihe.“
Scheffler und sein Team sind absolute Spezialisten für Sauer-Orgeln. Nach ihrem Januar-Besuch in Altenbochum werden sie nun Wochen in ihrer Werkstatt in Brandenburg damit verbringen, die einzelnen Nervenstränge für die Sauer-Orgel zu fertigen. Wenn alles gut geht, sollen sämtliche Arbeiten bis Ostern erledigt sein. „Aber es gibt immer Überraschungen, mit denen man im Vorfeld nicht rechnen kann“, so Scheffler.
Eine solche erlebten die Restauratoren zum Beispiel, als sie jetzt das Innere der Orgel inspizierten. Eine Mäusefamilie hatte es sich hier offenbar gemütlich gemacht – und dabei viel an den feinen Einzelteilen genagt. „Wir hoffen, dass wir die Tiere jetzt vertrieben haben und dauerhaft weghalten können“, sagt Ulrich Wicking, Vorsitzender der Stiftung Lukaskirche.
Noch einmal über 100.000 Euro hat die Stiftung für diesen dritten und letzten Bauabschnitt in die Hand genommen. „Wir können doch nicht einfach auf halber Strecke stehenbleiben und sagen, dass wir jetzt schon zufrieden sind“, sagt Wicking. Unterstützung bekommt er dabei nicht nur von Fachmann Scheffler, sondern auch von Hans-Christian Tacke, einem der ausgewiesenen Orgelsachverständigen von Bochum. „In den ersten Schritten wurde der Klang der Orgel von der Schulnote Vier auf eine gute Zwei verbessert“, sagt Tacke. „Jetzt wollen wir aber eine Eins Plus erreichen.“
Wie das geht? Viele kleine Einzelteile werden ersetzt, gereinigt oder erneuert. Mehrere hundert Meter Bleirohre werden im Inneren der Orgel neu verlegt. Das Ziel: „Gerade bei den leisen Tönen hat man als aufmerksamer Hörer bisher manchmal noch ein Klacken gehört“, so Wicking. Experte Scheffler kann ihn da aber beruhigen. „Das wird später nicht mehr so sein.“
Wenn die Arbeiten zu Ostern abgeschlossen sind, heißt das übrigens nicht, dass in den kommenden Jahren keine Restauratoren mehr nach Altenbochum kommen müssen. „Wir haben uns dazu entschlossen, die Firma Scheffler mit regelmäßigen Wartungsarbeiten zu beauftragen“, sagt der Vorsitzende der Stiftung Lukaskirche. „Wir wollen den neu geschaffenen Zustand dieser einmaligen Orgel so lange wie möglich bewahren.“
Über 1.000 Orgeln hat Wilhelm Sauer in seiner Karriere als Orgelbauer neu- oder umgebaut. Viele sind bis heute erhalten. Unter anderem erklingen sie im Berliner Dom, im Bremer Dom und in der Thomaskirche in Leipzig. Die in Altenbochum ist in der ganzen Region einzigartig. Sie ist die älteste der ganzen Stadt und gerade deshalb unbedingt für nachfolgende Generationen zu erhalten. Der Sachverständige Tacke war früher selbst Organist in Altenbochum und kennt das Instrument daher ganz genau. Dass es jetzt so umfassend und mit so viel Liebe zum kleinsten Detail restauriert wird, „macht mich natürlich sehr froh“, so Tacke. In der Gemeinde gibt es schon Überlegungen, die Orgel regelmäßig erklingen zu lassen – auch außerhalb der Gottesdienste und Konzerte. „Das wäre eine gute Idee“, sagt Scheffler. „Das ist wie bei einer alten Dame. Auch die braucht regelmäßig Bewegung, sonst rostet sie ein.“