Von Schrebergärten und Laubenpiepern
Eine grüne Idylle zwischen Klischee und Trendwende
„Hast im Schrebergarten deine Laube...“ besang schon Herbert Grönemeyer inbrünstig ein wahres Bochumer Kulturgut: die Laubenkolonie. Oder neudeutsch: Kleingartenanlage. Auch in Linden wird fleißig in Parzellen gegärtnert.
Im äußeren Grüngürtel von Linden, an der Donnerbecke nahe der Hattinger Stadtgrenze, hat der Kleingartenverein „Rosenhain e.V“ bereits vor 60 Jahren seine Lauben erbaut und ein blühendes Paradies erschaffen. Mit den kleinen, bunten Steinlauben, die zwischen unzähligen, blühenden Pflanzen und Bäumen herausschauen, wirkt diese Anlage fast wie ein verwunschenes Dörfchen aus dem Märchenbuch. Wie an einer Schnur reiht sich Garten an Garten entlang des Baches. „Mit 22 Gärten ist unser Verein einer der kleinsten im Stadtgebiet“, erzählt Mark Westerheide, Vorsitzender des Vereins.
Auf seiner knapp 500 m² großen Parzelle hat sich der 48-Jährige gemeinsam mit seiner Frau ein blühendes Kleinod geschaffen. Urig und gemütlich, duftend und wohlschmeckend und vor allem: ruhig. Kaum Verkehrslärm ist hier zu hören, die Luft ist erfüllt von Vogelgezwitscher. Nistkästen und ein kleines „Insektenhotel“ hat das Ehepaar aufgebaut. In einem kleinen Gewächshaus wachsen Tomaten und Gurken. Auch Erdbeeren, Pfirsichbäume und prächtige Blumenbeete wetteifern um die Gunst der Sinne. Ein Gartenzwerg wird hier allerdings vergebens gesucht. „Der Garten ist für mich der perfekte Erholungsort“, sagt der 48-Jährige, der (zumindest optisch) irgendwie so gar nicht in das Klischee des knorrigen Laubenpiepers passen will und auch sonst seinen Mitgliedern ziemlich freie Hand in Sachen Gartengestaltung lässt. „Natürlich muss man sich an die festgelegten Satzungen halten, aber das ist heute auch nicht mehr ganz so streng wie früher“, sagt Westerheide.
Und das hat einen guten Grund. Das Klischee sieht den eingefleischten Schrebergärtner irgendwo im Alter um die 70 Jahre und jeden Grashalm mit dem Lineal nachmessen.
In der Realität geht der Trend allerdings hin zur Verjüngung der Kleingartenvereine. Junge Familien mit Kindern entdecken den kleinen Garten mehr und mehr als Rückzugs- und Erholungsort für sich. So auch im Rosenhain. „Unser jüngstes Mitglied ist eine Familie mit drei Kindern“, freut sich Westerheide. Die Bewerberliste um einen Garten ist lang. „Familien werden dabei bevorzugt berücksichtigt“, sagt der Vorsitzende. Ein Garten für Generationen eben.
Im Rosenhain funktioniert das Miteinander hervorragend. Im Nachbargarten sind Joachim und Ulrike Göthel bei der Arbeit. Seit vier Jahren pflegt das Ehepaar den eigenen Garten mit Leidenschaft und Hingabe. Nichts wird dem Zufall überlassen, alles hat seinen ökologisch sinnvollen Platz. „Wenn man das Gartentörchen aufmacht, dann ist man sofort ein anderer Mensch“, schwärmt der 66-jährige Göthel. „So, als ob man die Welten wechselt“, fügt der Ruheständler hinzu und bescheinigt zudem seiner Gattin einen ganz besonders grünen Daumen.
In den Sommermonaten verbringen die Göthels so viel Zeit wie möglich im Garten, mit dem sie sich einen kleinen Traum erfüllt haben. Ein Jahr lang haben sie auf der Warteliste ausgeharrt, bevor sie eine der im Durchschnitt 350 m² großen Parzellen ihr Eigen nennen konnten. Einen Gartenzwerg, wie es das Klischee vorsieht, haben sie aber auch nicht.
Weitab von spießiger Gleichförmigkeit gibt es im Rosenhain ein buntes Bild von Gärten, die so unterschiedlich sind wie ihre Pächter. Und dann taucht er doch noch auf: der Laubenpieper vom alten Schlag, samt Gartenzwerg. Günther Namyslo kniet inmitten seines Gemüsebeetes und zupft an der Roten Bete. An seinen Händen klebt Erde, an seiner ausgebeulten Hose auch. Seit vielen Jahren hat der gebürtige Schlesier hier seinen Garten. Gerne hilft er jedem seiner Nachbarn. Mit Rat und Tat und Werkzeug.
In seiner blau-weißen Laube könnte er notfalls auch wohnen – darf er aber nicht. So schreibt es das Kleingartengesetz vor. Die Kleingärten im Rosenhain - ein typisches Stück Ruhrgebiet zwischen Kartoffeln und Gartenzwerg.